Job Crafting – Die Arbeit proaktiv gestalten
Ob vor Ort im Betrieb oder beim mobilen Arbeiten (Remote Work) im Homeoffice: Die Methode des Job Craftings kann die Leistung, das Sinnerleben und damit auch die Motivation für die*den Einzelne*n oder für das ganze Team fördern. Mitarbeitende gestalten dabei proaktiv ihren Arbeitsplatz. Das fühlt sich nicht nur für die Mitarbeiter*innen gut an, sondern kommt in der Konsequenz auch dem Unternehmen zugute.
Die Definition von Job Crafting:
Job Crafting nennt man jene kleinen Veränderungen, mit denen man den eigenen Job nach seinem eigenen Rollenverständnis umformt und proaktiv mitgestaltet. Job Crafting bedeutet auf Deutsch übersetzt sinngemäß »die Arbeit/den Arbeitsplatz gestalten«. Grundsätzlich geht es also darum, dass Mitarbeitende kontinuierlich kleine Anpassungen an ihrem Job vornehmen – damit die Arbeit ihre Stärken miteinbezieht und ihre Motivation fördert.
Ziel des Job Craftings: Die Übereinstimmung der Merkmale zwischen Job und Person zu erhöhen (Person-Job-Fit).
Formen des Job Craftings:
Die Wissenschaftlerinnen Amy Wrzesniewski und Jane E. Dutton befassen sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Job Crafting und gelten sogar als Mitentwicklerinnen dieser Methode. Sie berichten, dass Job Crafting ganz unterschiedliche Arten annehmen kann (Wrzesniewski & Dutton, Crafting a Job, 2001).
Arten des Job Craftings:
- Physisch - Task Crafting: Bei dem Task Crafting werden die Art, der Umfang, die Reihenfolge und die Anzahl der Aufgaben, aus denen sich Ihre Arbeit zusammensetzt, verändert.
- Beziehungsmäßig - Relational Crafting: Das Relational Crafting verändert Beziehungen und Interaktionen mit anderen Personen im Arbeitsumfeld.
- Kognitiv – Cognitive Crafting: Bei dem Cognitive Crafting wird die Bedeutung verändert, wie die Aufgaben wahrgenommen und ausgeführt werden.
Arbeit mit Sinn gestalten:
Job Crafting Methoden – So funktioniert es in der Praxis:
Task Crafting:
Das Task Crafting kann so stattfinden, dass der*die Mitarbeiter*in beispielsweise neue Aufgaben in sein*ihr Aufgaben-Portfolio integriert oder andere entfernt. Führungskräfte können dafür Mitarbeitende bitten, drei Aufgaben aufzuschreiben, von denen sie mehr machen möchten oder welche neuen Aufgabenbereiche er*sie übernehmen möchte. Anschließend sollten drei Aufgaben aufgeschrieben werden, die er*sie seltener oder gar nicht machen will. Zum Schluss wird die Verteilung der Aufgaben im Team erneut besprochen – welches Teammitglied möchte tauschen, eine zusätzliche Aufgabe übernehmen oder was kann herausgenommen werden?
To Do:
Relational Crafting:
Er*sie kann auch versuchen, sein*ihr soziales Gefüge zu verändern, also an der Art und Weise zu arbeiten, wie er*sie mit anderen Menschen bestimmte Tätigkeiten ausführt. Würden Sie gerne weniger oder mehr mit einer bestimmten Person zusammenarbeiten? Denn je mehr man mit Menschen zusammenarbeitet, die man mag, desto erfüllter ist man. Hier geht es auch darum zu überlegen, wie gut Sie Ihre Kolleg*innen kennen und ob Sie offen auf neue Mitarbeitende zugehen.
To Do:
Cognitive Crafting:
Das Cognitive Crafting bezieht sich darauf, die Bedeutung, wie Sie Aufgaben wahrnehmen und ausführen, zu verändern. Damit ist gemeint, eine vielleicht nicht besonders erfüllende Aufgabe aus einer höheren Perspektive wahrzunehmen. So wird beispielsweise aus einem simplen Steine-aufeinander-schichten das Mitarbeiten an einer tragenden Mauer oder sogar an einer eindrucksvollen Kathedrale. Sie verpacken Spielzeug in einer Fabrik? Denken Sie daran, wie vielen Kindern Sie damit eine Freude bereiten. Entscheidend ist also, das große Ganze zu sehen und auch, welches Mindset Sie haben.
To Do:
So funktioniert der Job-Crafting-Prozess:
1. Arbeitsaufgaben analysieren:
Welche Aufgaben sind vorhanden und inwiefern sind diese für das Unternehmen wichtig? Hier wird festgehalten, welcher Zeitaufwand für die Aufgaben notwendig ist und welchen Impact diese haben.
2. Eigene Stärken identifizieren:
Was sind Ihre Stärken? Fragen Sie Freund*innen oder Mitarbeitende, was Sie gut können und notieren Sie sich Ihre Stärken.
3. Ist-Zustand analysieren:
Wie können Stärken und Arbeitsaufgaben in den Einklang gebracht werden? Welches Zeit-Investment besteht für bestimmte Aufgaben?
4. Peer-Coaching durchführen:
Diskussion der Stärken-Impact-Zeitaufwand-Analyse und daraus abgeleiteten Verbesserungspotenzialen in der Gruppe.
5. Job-Crafting-Ziele definieren:
Neugestaltung bestimmter Job-Elemente mittels konkreter Job-Crafting-Ziele, basierend auf der vorangegangenen Analyse.
6. Abstimmung im Team:
Koordination im Gesamtteam und neues Zusammensetzen von Aufgaben und Rollen.
7. Job Crafting umsetzen
Umsetzung der Veränderungen im Berufsalltag.
8. Prozess reflektieren
Reflexion und Bewertung des Job Craftings und Überführung in die Organisationskultur.
Job Crafting ist also ein Prozess und keine einmalige Veränderung. Es geht nicht darum, alles auf einmal umzugestalten, sondern Schritt für Schritt wichtige Veränderungen vorzunehmen. Jede*r Mitarbeiter*in und auch jedes Team sollte sich daher immer wieder die Frage stellen: Wie kann der Job proaktiv gestaltet werden?
Prozess Quelle: Barmer Seminar, Center for Disability and Integration – Universität St. Gallen, URL:https://www.barmer.de/blob/354824/5b540b52a648a0d951b98c1 290019529/data/seminarunterlagen-job-crafting.pdf
Zwei Beispiele für Job Crafting:
1. Beispiel:
Der Vertriebsmitarbeiter Klaus ist genervt, dass sein Telefon ständig klingelt und er immer erreichbar sein muss. Klaus mag den Umgang mit anderen Menschen und hat es bisher immer sehr gut geschafft, Kundinnen für ein Thema zu begeistern. Vor Kurzem wurde Job Crafting in seinem Unternehmen eingeführt und er hat sich sofort für einen Job-Crafting-Workshop angemeldet. Schnell wird klar, dass es seine Stärke ist, mit Menschen zu arbeiten. Er entscheidet sich, diese Stärke in der Personalabteilung mit einzubringen (Task Crafting). Im Team wird überlegt, wer Aufgaben von Klaus übernehmen kann, sodass er entlastet wird und einen festgelegten Zeitraum hat, in dem er nicht erreichbar sein muss. Sein Kollege Frank, der aktuell weniger ausgelastet ist, übernimmt bereitwillig Kunden von Klaus. In der Personalabteilung lernt Klaus viele nette neue Kolleg*innen kennen (Relational Crafting), seine Mitarbeitergespräche kommen sehr gut an. Zusätzlich bringt er sein Vertriebswissen in der Personalsuche mit ein. Die Arbeitsplatzumgestaltung hat seinen Joballtag für sich und sein Team verbessert.
2. Beispiel:
Rachel ist seit mehreren Jahren Beraterin für ein Unternehmen, das sich auf organisatorische Veränderungen spezialisiert hat. Sie entwirft und leitet Programme und Prozesse zur Verbesserung der organisatorischen Effizienz. Sie arbeitet in Teams an diversen Kundenprojekten.
Von Anfang an wollte sie ihr Fachwissen über »Positive Organizational Scholarship« (POS) weitergeben. In ihren ersten Jahren als Juniorberaterin gab sie Workshops zum Thema POS für ihre Kund*innen und Beraterkolleg*innen. Dies war in ihrer offiziellen Stellenbeschreibung nicht ausdrücklich vorgesehen, aber sie hat es selbst zu einem immer größeren Teil ihrer Rolle gemacht (Task Crafting).
Rachel hat auch »Relational Crafting« betrieben, um tiefere, persönlichere Beziehungen zu ihren Kund*innen und ihren Mitarbeitenden aufzubauen. Sie kommt früh zu Besprechungen und bemüht sich, die Interessen und Sorgen ihrer Mitarbeitenden auch außerhalb der Arbeit kennenzulernen. Ihr fröhliches Auftreten und ihr Einfühlungsvermögen sind dabei hilfreich.
Rachel sieht sich selbst als positive Energiespenderin, die erkennt, wenn die Energie in einem Team niedrig ist und die über Mittel und Fähigkeiten verfügt, diese wieder zu erhöhen – um schwierige Aufgaben oder nörgeliges Feedback von Kund*innen zu bewältigen. Diese Art des »Cognitive Craftings« hilft Rachel, in Situationen einzugreifen, die andere als schwierig empfinden. So profitiert auch ihr Team davon.
Quelle des 2. Beispiels: https://hbr.org/2020/03/what-job-crafting-looks-like?registration=success
Vorteile von Job Crafting:
✅ Job Crafting erhöht das Sinnempfinden, die Motivation und damit auch die Leistung.
✅ Ältere Arbeitnehmer*innen profitieren besonders. Sie können zum Beispiel schwierige oder unangenehme Aufgaben aus Ihrem Aufgaben-Portfolio entfernen und dafür eher die Aufgaben eines Mentors oder Coaches übernehmen.
✅ Job Crafting verringert Stress und steigert das Wohlbefinden – »Beschäftigte, die viel Job Crafting betreiben, schätzen ihre eigene Gesundheit ein halbes Jahr später um fast 11 Prozent besser ein als diejenigen, die wenig Job Crafting betreiben«.
Quelle: Barmer Seminar, Center for Disability and Integration – Universität St.Gallen.
Job Crafting – die wichtigsten Inhalte zusammengefasst:
Führungskräfte sollten sich bewusst machen, dass Job Crafting ohnehin laufend stattfindet. Mitarbeitende erledigen Dinge, die sie gerne machen zuerst, bauen Work-arounds und verschieben Themen, auf die sie keine Lust haben. Job Crafting ermöglicht es, dieses Phänomen zu nutzen, um die Motivation bei Mitarbeitenden zu steigern und ihre Stärken zu fördern.
Um die Methode des Job Craftings zu nutzen, sollten Sie bedenken, dass Job Crafting keine einmalige Aufgabe ist, sondern ein Prozess, der immer wieder angepasst werden muss.
Ein weiterer wichtiger Punkt der proaktiven Arbeitsplatzgestaltung ist lebenslanges Lernen. Mitarbeitende sollten die Möglichkeit haben, ihre Stärken durch Weiterbildungskurse auszubauen oder auch neue, interessante Themengebiete kennenzulernen.
Im Video-Kurs der ZEIT Akademie »Purpose – Arbeit mit Sinn gestalten« lernen Sie mehr darüber, wie Sie Ihr Arbeitsumfeld selbst gestalten können. Prof. Dr. Nico Rose und Julia von Winterfeldt erklären, wie Sie Ihren persönlichen Purpose und den für Ihr Unternehmen finden und zufriedener und motivierter arbeiten.
Zudem erfahren Sie, wie Sie als Führungskraft Impulse setzen können, um Arbeit mit Sinn zu gestalten.
ZEIT AKADEMIE
Purpose
Der Videokurs erklärt, wie Sie Ihren Purpose finden und Mitarbeitende mit Sinn führen.